Hat man den Sportbootführerschein oder Segelschein in der Tasche, zieht es einen natürlich raus aufs Wasser – sei es mit dem eigenen Boot oder der gecharterten Segelyacht.
Im aktiven Wassersport zieht man sich an Bord auch mal einfache Blessuren zu oder ein Crewmitglied wird unerwartet krank. Doch auf dem Wasser ist es manchmal nicht so einfach, schnell zu einem Arzt zu kommen.
Daher gehört das Thema „Erste Hilfe und Bordapotheke“ auf jeden Fall auf die To-Do-Liste einer ordentlichen Törnvorbereitung.
Wie sollte die Bordapotheke bestückt sein, welche Verletzungen und Erkrankungen sind typisch auf See und wo finde ich Unterstützung?
Zunächst einmal soll vor Törnbeginn der Erste-Hilfe-Kasten und die Bordapotheke kontrolliert werden. Je nach Fahrtgebiet fällt dies natürlich auch unterschiedlich aus – bin ich auf Langfahrt, in Tropengebieten, oder bewege ich mich in Küstennähe in gemäßigten europäischen Breiten?
Der Erste-Hilfe-Kasten muss regelmäßig gecheckt werden und bei Entnahme von Verbrauchsmaterial dieses zeitnah ersetzt werden: Sterile Kompressen, Verbandsschere, elastische Binden, (wasserfeste) Hautpflaster, Wundnahtstreifen für Platz- und Schnittwunden, Pinzette und natürlich Desinfektionsspray. Bewährt haben sich bei offenen haben sich bei offenen Wunden Gaze. Zunächst wird mit Salbe oder Tinktur desinifiziert, dann die Gaze auf die Wunde gelegt, bevor man mit dem Verband abschließt. Das Auflegen von Gaze hat den Vorteil, dass das Verbandsmaterial nicht mit der Wunde verklebt und der Verband schmerzfreier gewechselt werden kann.
Auf See sind bei offenen Verletzungen an Hand und Fingern Gummi-Fingerlinge oder hochwertige Latex-Handschuhe brauchbar, die Wunde und Verband vor Seewasser und Durchfeuchtung schützen. Das Verbandsmaterial sollte nicht zu knapp bemessen sein, an Bord muss man durch Feuchteeinwirkung und bei ständigem Außeneinsatz Verbände häufiger wechseln und die Wunden versorgen.
Ein Vergrößerungsglas ist hilfreich, um Splitter oder Seeigelstachel zu orten und gezielt mit der Pinzette zu entfernen.
In die Bordapotheke gehören zumindest Medikamente bei Magen-Darm-Beschwerden, Erkältungen und grippalen Infekten, Muskel- und Gelenkschmerzen, Allergien, Augen- und Ohrenschmerzen.
Sinnvoll ist es, die in der Bordapotheke befindlichen Medikamente zu katalogisieren: für bzw. gegen was sie helfen, Packungsgröße, Haltbarkeitsdatum. Die ausgedruckte Liste hilft zum schnelleren Auffinden und in einem freien Textfeld kann man vor Ort beispielsweise die Entnahme dokumentieren.
Eine gute Aufstellung für die Reiseapotheke findet man unter www.tropeninstitut.de/reiseapotheke
Altbewährte Hausmittel wie feuchte Wickel bei Husten, feuchte Wadenwickel bei Fieber, Retterspitz-Wickel bei Schwellungen und Sportverletzungen, Zwiebel-Wickel bei Ohrenschmerzen sind an Bord mit einfachen Mitteln herzustellen. Coca-Cola und Salzstangen helfen bei Durchfall und Magenbeschwerden.
Generell gilt, immer das Haltbarkeitsdatum und eine korrekte Lagerung der Medikamente in Bezug auf Feuchtigkeit und Temperatur einzuhalten. Fest schließende Tupperdosen bieten zumindest gegen die Feuchtigkeit einigermaßen Schutz. Wer über ein Vakuum-Gerät verfügt, kann Medikamente auch einschweißen.
Nutzen Sie auch die Möglichkeit einer Reiseberatung durch Ärzte und Apotheken. Bei Fernreisen berät das Tropeninstitut zu nötigen und sinnvollen Impfungen.
Unmittelbar vor Fahrtantritt ist die Einweisung der Crew zum Thema Bordapotheke und Erste Hilfe an Bord unverzichtbar und gehört zur guten Seemannschaft.
Was ist nun typisch an Erkrankungen und Verletzungen auf See?
Durch Wind und Wetter treten häufiger Erkältungen und Bindehautentzündungen auf. Die Arbeit an Deck birgt Risiken von Verletzungen mit Schnittwunden, Prellungen, Verstauchungen und Quetschungen. Bei erhöhter Sonneneinstrahlung drohen Sonnenbrand und Hitzschlag.
Erstmaßnahmen bei zu starker Sonneneinwirkung ist Verbringen in eine kühlere Umgebung, flache Lagerung, Öffnen enger Kleidungsstücke und ausreichende Flüssigkeitszufuhr, auf keinen Fall Alkohol! Bei Sonnenstich Kühlung mit feuchten Tüchern an Kopf, bei Fieber feuchte Wadenwickel.
Bei geschlossenen Verletzungen wie Stauchungen, Prellungen und Zerrungen lindern Kältegel und Salben die Schmerzen, durch unkontrolliertes Schiften des Großbaums oder Hinunterfallen in offene Luken können auch Knochenbrüche und Schulter-Arm-Verletzungen die Folge sein. Hier heißt es, die betroffenen Extremitäten ruhig zu stellen und den Patienten unverzüglich ins Krankenhaus verbringen.
Offene Verletzungen lassen sich durch einen Druckverband beherrschen, verletzte Extremitäten hoch lagern, um den Blutverlust zu verringern. Auf entsprechend steriles Verbandsmaterial und Desinfektion achten.
Maßnahmen zur Vorbeugung sind der Behandlung natürlich vorzuziehen: Sonnenschutzmittel mit hohem Faktor, Sonnenbrille und Sonnenkappe, bei Wind und kälteren Temperaturen immer eine Mütze auf dem Kopf, Arbeiten an Deck nur mit festem Schuhwerk und idealerweise Segelhandschuhen. Gute Funktionskleidung und wasserdichte Regenkleidung.
Niemals sollten Luken offen stehen, bei Arbeiten z.B. am Baum (Segel bergen) birgt dies ansonsten die große Gefahr, unkontrolliert in den Niedergang zu stürzen. Tauwerk immer sauber aufklaren – dies verhindert zum einen Verheddern, zum anderen Quetschungen. Bei ausrauschenden Schoten nicht versuchen, mit bloßen Händen zu bremsen, hier drohen Schürfwunden und Verbrennungen.
„Eine Hand fürs Schiff, eine Hand für Dich“ – an Bord immer gut festhalten! Beim Anlegen gehören Fender ausgebracht, auf keinen Fall mit dem Fuß versuchen, das Schiff vom Kai abzuhalten.
Und dann noch das leidige Thema Seekrankheit… Die meisten Menschen leiden unter Seekrankheit, so dass wir es weniger als „Krankheit“ bezeichnen sollten. Es ist eine Überreizung des Gleichgewichtorgans, verursacht durch das Schaukeln auf See.
In vielen Fällen reicht schon ein langsames „Einschaukeln“, das heißt erst mal An-Bord-Kommen, eine Nacht im ruhigen Hafen schlafen, zu Beginn kurze Etappen wählen. Wird es dem Törnteilnehmer dennoch übel, so hilft es, Blickkontakt zum Horizont zu halten oder – wer die liegende Position bevorzugt – möglichst am tiefsten Punkt in Schiffsmitte zu liegen. An Medikamenten gibt es eine ganze Reihe, jeder von Seekrankheit Geplagte schwört auf ein anderes Heilmittel, manche Medikamente haben aber den Nachteil, dass sie schon Tage vorher präventiv eingenommen werden müssen – und wer weiß, vielleicht wird man ja gar nicht seekrank?
Bei lebensbedrohlichen Verletzungen ist erste Hilfe zu leisten wie bei Situationen an Land – Schocklage, Herz-Druck-Massage, stabile Seitenlage… Es sei jedem angeraten, in regelmäßigen Abständen einen umfangreichen Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren. Wiederholte Seminare bringen mehr Sicherheit und Routine, zudem bleibt man auf dem neuesten Stand.
Das Krankenhaus Cuxhaven bietet bei medizinischen Notfällen an Bord eine funkärztliche Beratung an, die telefonisch unter +49(0)4721 785 rund um die Uhr erreichbar ist. Auch per Funk kann ein Medico-Gespräch angefordert werden. Ein vorgefertigter Fragebogen hilft, gezielte Angaben zum Zustand des Betroffenen zu machen. Download des Fragebogens unter www.deutsche-flagge.de/de/maritime-medizin/funkaerztliche-beratung
Neben der Bordapotheke und dem Erste-Hilfe-Kasten ist es für Skipper empfehlenswert, zudem eine individuelle „Notausrüstung“ im Gepäck zu haben: dünne winddichte Mütze, Segelhandschuhe in Reserve, Schal, Sonnenschutzmittel, Stirnlampe, Taschenmesser mit Werkzeugfunktionen. Die Stirnlampe hat den großen Vorteil, dass beide Hände frei und einsetzbar bleiben. Auch sollte vor Törnbeginn mit den Crewmitgliedern geklärt werden, ob medizinische Besonderheiten (Epilepsie, Allergien, chronische Krankheiten…) vorliegen und welche Maßnahmen im Bedarfsfall zu treffen sind.
Alkohol hat im Übrigen weder bei der ersten Hilfe noch bei anderen medizinischen Behandlungen einen Platz an Bord!
Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist nur eine Meinungsäußerung. Beschriebene Medikamente sind lediglich Vorschläge, die Verwendung von Medikamentennamen dient der einfacheren Übersicht für medizinische Laien. Es obliegt immer der Verantwortung des Einzelnen, welche Maßnahmen mit welcher Medikamentengabe eingeleitet werden.
Mai 2019